Auch dem besten Mediziner unterlaufen Fehler. Diese können nicht nur für Patienten gravierende Konsequenzen haben, sondern auch für den Arzt sehr kostspielig werden. Denn ein Behandlungsfehler mit Spätfolgen kann zu lebenslangen Zahlungen verpflichten. „Gleichgültig ob Zahnarzt oder hochspezialisierter Onkologe können so Multimillionen-Szenarien entstehen“, gibt Roland Wehn, Filialdirektor bei der Deutschen Ärzteversicherung, zu bedenken. „Und Ärzte haften nun einmal vollumfänglich mit ihrem Privatvermögen, nicht nur für die eigenen Fehler, sondern auch für die ihrer angestellten Mitarbeiter.“ Das Thema Versicherungen sei deshalb unabdingbarer Teil des allgemeinen Risikomanagements in einer Arztpraxis.
Ob Behandlung trotz unzureichender Fachkenntnisse oder Erfahrungen, Diagnosefehler durch unterlassene Kontrollbefunde, ungenügende Therapie- oder Sicherheitsaufklärung, Therapiefehler oder Verstöße gegen die Dokumentationspflicht: Ursachen, die hohe Schadensersatzansprüche des Patienten auslösen können, gibt es viele. Schützen können sich Ärzte mit einer Berufshaftpflichtversicherung, zumal sie verpflichtet sind, eine solche abzuschließen. Sie sichert den Arzt sowohl in Ausübung seiner Tätigkeit als auch als Inhaber seiner Praxis ab. Versichert sind der Mediziner selbst sowie seine angestellten Mitarbeiter und fachärztlichen Vertreter.
Entscheidend sei dabei, dass der Versicherungsschutz das persönliche Risiko optimal widerspiegele, betont Wehn. Denn alle Versicherer würden in ihren Tarifen nach Tätigkeitspositionen unterscheiden. Ausschlaggebend sei beispielsweise, ob ein Allgemeinarzt etwa Operationen durchführe. Bei Gynäkologen gebe es die Unterscheidung zwischen freiberuflich ambulant tätig ohne OP, mit OP, ambulant mit OP und stationär, mit oder ohne Pränataldiagnostik, mit oder ohne Pränataldiagnostik und Geburtshilfe. „Hat der Arzt beim Vertragsabschluss seinen Tätigkeitsbereich nicht exakt beschrieben, kann eine Versicherung im Schadensfall darauf hinweisen und gegebenenfalls die Deckung ablehnen“, weiß der Fachmann.
Alles schriftlich
Deshalb empfiehlt der Versicherungsexperte Ärzten, alle Informationen, die sie an ihren Berater geben, schriftlich – etwa in einer E-Mail – zu dokumentieren und idealerweise auf dessen schriftlicher Bestätigung zu bestehen. „Überall, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler“, gibt Wehn zu bedenken. „Macht der Berater bei der Eintarifierung einen Fehler, obwohl der Arzt ihm alle Informationen korrekt zur Verfügung gestellt hat, dann haftet Ersterer in einem Schadensfall auch dafür.“ Praxisinhaber sollten außerdem darauf achten, ihre Berufshaftpflichtversicherung rechtzeitig beginnen zu lassen. Denn auch wenn der Arzt seine eigentliche Tätigkeit noch nicht begonnen hat, können in Vorbereitungsphasen Schadensfälle entstehen, die bereits dem beruflichen Spektrum zuzurechnen sind.
Die Höhe der Versicherungssumme sollte bei fünf Millionen Euro liegen, betont Wehn. In manch einem Fall sei eine Versicherungssumme von siebeneinhalb oder gar zehn Millionen anzuraten. Das sei allerdings vor allem für Ärzte zu empfehlen, die viele Patienten mit extrem hohen Einkommen behandeln. „Wenn jemand mit einem Einkommen von 500.000 Euro jährlich zu einem Pflegefall wird, schöpft man allein über den Verdienstausfall nach 15 Jahren 7,5 Millionen Euro aus“, gibt er zu bedenken. Die Versicherungsprämie ist – so wie im Übrigen auch andere Versicherungsbeiträge für die Praxis – als Betriebsausgabe steuerlich absetzbar.
Praxisinventar gehört versichert
Eine weitere Versicherung schützt das Praxisinventar. Denn oft investieren Ärzte viele Zehntausende Euro in die Ausstattung ihrer Praxen. Die Inventar-, auch Sachinhaltsversicherung genannt, schützt die gesamte Praxiseinrichtung gegen Schäden durch Feuer, Blitzschlag, Einbruch/ Diebstahl, Sturm, Hagel und austretendes Leitungswasser. Dabei stehen grundsätzlich zwei Varianten zur Verfügung: eine Neuwert- oder eine Zeitwertversicherung.
Das Prinzip der Neuwertversicherung besagt, dass der Arzt im Schadensfall die zerstörten oder beschädigten Sachen zulasten der Versicherung zum Neuwert wiederbeschaffen kann, auch wenn die Einrichtung bereits in die Jahre gekommen ist. Vereinbart man das nicht explizit im Versicherungsvertrag, ersetzen viele Versicherungen den Neuwert nur, wenn der Zeitwert mindestens noch 40 Prozent ausmacht beziehungsweise der Gegenstand jünger als fünf Jahre ist. Um nach einem Schadensfall neue Geräte anzuschaffen, muss der Praxisinhaber unter Umständen also tief in die Tasche greifen. Wehn empfiehlt daher, auf eine sogenannte „absolute Neuwertklausel“ zu achten. Sie könne zwar im Beitrag etwas teurer sein, lohne sich aber im Schadensfall.
Bei einer Inventarversicherung für Arztpraxen sei die Ermittlung der richtigen Versicherungssumme von großer Bedeutung, warnt der Experte. Das könne sich mitunter schwierig gestalten. „Bei einer Inventarversicherung muss der Arzt den Neuwert seines Praxisinventars definieren, auch wenn er eine Bestandspraxis
übernommen hat und die Geräte schon längst abgeschrieben und gegebenenfalls mit einem Buchwert von 1 Euro geführt werden“, erläutert er. Dann muss der Arzt den Neuwert schätzen. Sollte der Praxisinhaber unsicher sein, ob seine Schätzung tatsächlich korrekt ist, empfiehlt Wehn eine Sicherheitsmarge von 10 bis 20 Prozent aufzuschlagen. Ändere sich der Versicherungswert im Laufe des Jahres, müsse der Arzt das der Versicherung anzeigen und den
Versicherungswert anpassen.
Denn eine Unterversicherung kann ernste finanzielle Folgen haben. Stellt der Versicherer im Falle eines Schadens
fest, dass ein Arzt unterversichert ist, übernimmt er nur einen Teil der Kosten. Hat ein Arzt sein Inventar zum Beispiel mit einer Summe von 100.000 Euro versichert, der tatsächliche Wert beträgt aber 200.000 Euro, dann erhält er bei einem Schaden von 90.000 Euro nur 45.000 Euro. Er war zu 50 Prozent unterversichert.
Sinnvoll, aber unter Umständen verzichtbar
Je nach Bedarf lässt sich dieser Basisschutz noch um eine Elementarschadenversicherung erweitern: Sie bietet Versicherungsschutz bei Schäden durch Überschwemmung und Rückstau, Erdbeben, Erdsenkung, Erdrutsch,
Schneedruck, Lawinen oder Vulkanausbruch. In Deutschland ist allerdings vor allem das Risiko einer Überschwemmung oder eines Rückstaus bei Starkregen relevant. „Eine Elementarschadenversicherung ist optional. Ob sie tatsächlich sinnvoll ist, hängt ganz entscheidend von der Lage ab“, erklärt Wehn. „Wenn sich die Praxisräume im zweiten oder noch höheren Stock eines Hochhauses in einer Innenstadt befinden, ist ein solcher Zusatzschutz gegebenenfalls nicht
unbedingt nötig. Wenn die Praxis jedoch im Erdgeschoss eines Gebäudes im Stuttgarter Kessel liegt, dann sollte der
Praxisinhaber ernsthaft darüber nachdenken, das Risiko abzusichern.“
Eine weitere sinnvolle Ergänzung kann die Elektronikversicherung sein. Obwohl elektronische Geräte in der Inventarversicherung erfasst sind, erstreckt diese sich nur auf bestimmte, bereits genannte Schadensarten, wie etwa
Feuer oder Leitungswasser. Die Elektronikversicherung sichert indes auch gegen Schäden durch Ungeschicklichkeit,
Fahrlässigkeit und Bedienungsfehler sowie für alle von außen auf das Gerät zukommenden Schadensereignisse
ab. Außerdem inkludiert ist der Schutz bei Schäden durch mutwillige Zerstörung durch Dritte, also Vorsatz.
So beruhigend das Gefühl auch sein mag, die teuren Geräte in der Praxis mit einer eigenen Police gegen nahezu
alle Eventualitäten geschützt zu haben, sei eine Elektronikversicherung immer eine Abwägung zwischen Kosten
einerseits und Risiko andererseits. In erster Linie sollten laut Wehn Ärzte mit viel technischem Equipment, wie etwa
Kardiologen oder Radiologen, über diese Option nachdenken. „Große radiologische Praxen laufen bei uns häufig
mit Versicherungssummen von 2,5 bis drei Millionen Euro“, berichtet er. Wenn ein Arzt seine Geräte nicht kauft,
sondern lediglich mietet oder least, ist es häufig vertraglich vorgeschrieben, eine entsprechende Versicherung
abzuschließen.
Wenn die Praxis geschlossen bleibt
Oft zwingen Feuer-, Leitungswasser- oder andere durch die Inventarversicherung abgedeckte Schäden zu einer tage-, wochen- und in besonders schwerwiegenden Fällen monatelangen Schließung der Praxis. Fixkosten wie Mieten, Gehälter und andere Aufwendungen laufen dann weiter, obwohl die Einnahmen fehlen. Je nachdem, wie lange sich die Unterbrechung der Tätigkeit hinzieht, kann dies zum echten finanziellen Problem werden. Vor diesen Folgen schützt die Betriebsunterbrechungsversicherung. Sie ersetzt nicht nur die fortlaufenden Kosten, sondern auch den entgangenen Betriebsgewinn. Meist sei der Haftungszeitraum auf ein Jahr beschränkt, was aber in der Regel auch völlig ausreiche, um nach einem Schadensfall den Praxisbetrieb wieder aufzunehmen, erläutert Wehn.
Oftmals wird die Betriebsunterbrechungsversicherung als Ergänzungsbaustein im Rahmen der Inventarversicherung
angeboten. Auch hier führt eine Unterversicherung im Wert des Inventars zu einer Kürzung der Leistung.
Auch ein Arzt wird krank
Während eine Betriebsunterbrechungsversicherung bei Praxisschließung wegen Sachschäden einspringt, greift
die Betriebsausfallversicherung, wenn der Arzt krankheits- oder unfallbedingt für längere Zeit ausfällt oder die Praxis unter Quarantäne gestellt wird. Einige Versicherer übernehmen im Schadensfall sowohl laufende Kosten, wie etwa Miete, Löhne und Gehälter, anfallende Zinsen und Ähnliches, als auch die entgangenen Gewinne. Dabei sollte man darauf achten, ab welchem Grad der Arbeitsunfähigkeit gezahlt wird.
Weiterhin können Ärzte Versicherungen abschließen, die im Grundsatz für jedermann zu empfehlen sind. Wer die Praxis in einer eigenen Immobilie betreibt, sollte etwa an eine Gebäudeversicherung denken. Der Bedarf an Rechtsschutz ist bei Ärzten durch die Vielzahl an Rechtsund Vertragsbeziehungen zu anderen, wie beispielsweise
zu den Patienten, den Krankenkassen, zur Ärztekammer und Kassenärztlichen Vereinigung, zu Krankenhäusern,
Kollegen und Angestellten, in der Regel ebenfalls sehr ausgeprägt. Die Rechtsschutzversicherung übernimmt Gerichtsgebühren, Anwaltskosten und Zeugengelder sowie Kosten des Gegners, wenn der Versicherte zur Übernahme
verpflichtet ist.
Es lohnt sich ferner, über eine Berufsunfähigkeitsversicherung nachzudenken. Denn das ärztliche Versorgungswerk
zahlt erst bei vollständiger Berufsunfähigkeit und Aufgabe der ärztlichen Tätigkeit. Es gilt also das Allesoder- Nichts-Prinzip. Anders wird das bei der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung bewertet. Als Maßstab wird hier die letzte Tätigkeit konkret betrachtet. Es reicht aus, teilweise und voraussichtlich dauerhaft eingeschränkt zu sein. Könne ein Chirurg also nicht mehr wie vorher ganztags operieren, sondern nur noch wenige Stunden, oder schreibt er stattdessen Gutachten, könne er bereits als berufsunfähig gelten, erläutert Wehn. Er könne also die private Berufsunfähigkeitsrente bekommen und weiterhin ärztlich tätig sein.
Text: Eugenie Ankowitsch
Die vollständige Ausgabe der Zifferdrei finden Sie als PDF zum download.