Im Gegensatz zum Kassenarzt und damit GKV-Abrechnungsrahmen agiert der Privatarzt ohne vergleichbares Sicherheitsnetz.

Letztlich hat eine Privatpraxis eine kleinere Zielgruppe als eine Praxis mit kassenärztlicher Zulassung. Wer im wachsenden Wettbewerb um privat versicherte Patienten und Selbstzahler erfolgreich sein will, sollte seine Praxisausrichtung sorgfältig planen. Die wirtschaftliche Standortanalyse ist eine gute Ausgangsbasis, um die Stärken der eigenen Praxis gezielt einsetzen zu können. So sollte ein Kardiologe sich dort niederlassen, wo eine ältere Bevölkerungsstruktur zu finden ist. „Mit Hilfe einer Standortanalyse können wir relevante Parameter überprüfen. Hier sind unter anderem die Angaben zur Bevölkerungsstruktur wie die Kaufkraft, das Einkommen je Beschäftigtem oder die Arbeitslosenquote im Gründungsbereich analysierbar“, erklärt Hartmut Paland, Leiter Marktgebiet Süd bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank).

Das Finanzierungskonzept für eine Privatpraxis ist von weiteren Kriterien abhängig: So sollte das Behandlungskonzept ein Alleinstellungsmerkmal als Abgrenzung zum Standardspektrum anderer Arztpraxen haben und die Kommunikationsstrategie gerade bei einer Neugründung auf die Patientenakquise ausgerichtet sein. Auch die Motivation des Praxisgründers muss im Gespräch mit den Bankberatern überzeugen. Will er sich mehr Zeit für seine Patienten nehmen? Möchte er alternative Heilverfahren stärker in sein Leistungsspektrum aufnehmen? „Die Reputation und der Bekanntheitsgrad des Gründers sind gerade für die Privatpraxis von Bedeutung und erhöhen die Erfolgsaussichten bei der Kreditzusage“, betont Thorsten Werner, Leiter Kompetenz-Center  Heilberufe bei derHamburger Sparkasse (Haspa). Auch dort beraten Heilberufe-Spezialisten mit fundiertem Branchen-Know-how und suchen nach individuellen Lösungen. In der Haspa-Checkliste für die erfolgreiche Gründung einer Privatpraxis fragt ein Punkt auch danach, warum Patienten gerade in diese Praxis kommen und dort auch bleiben sollten.

Welche Kreditsicherheiten erwartet die Bank?

Doch wie sieht es mit den Sicherheiten aus, die ein Privatarzt in die Waagschale werfen kann, um mit einem Kredit die notwendige Praxisausstattung zu finanzieren? Zu den Standardsicherheiten gehören bei der apoBank die Abtretung der Ansprüche aus Privatliquidation – analog zum Kassenarzt mit der  Abtretung der KV-Ansprüche – sowie die Sicherungsübereignung des Praxisinventars. „Empfehlenswert ist eine Todesfallabsicherung in Darlehenshöhe und eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Der weitere Versicherungsbedarf wird von unseren spezialisierten Niederlassungsberatern individuell geprüft“, sagt  Hartmut Paland von der Standesbank für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker. Für Thorsten Werner von der Haspa zählt vor allem eines: „Die wichtigste  Sicherheit ist die Ausbildung und die Arbeitskraft des Arztes .“ Im Sicherheitspaket als feste Größe enthalten ist jedoch auch immer die Abtretung der Ansprüche aus einem etwaigen Verkauf der Praxis.

Die Deutsche Bank, seit 25 Jahren mit einer bundesweiten Kompetenzeinheit für Heilberufe auf dem Markt, setzt bei der Kreditvergabe bewusst auf reduzierte Sicherheitsanforderungen. „Bei der Kreditvergabe sind für uns das Praxiskonzept und die fachliche Qualifikation entscheidend“, sagt Thilo Schäpers, Experte bei der Deutschen Bank in der Betreuung von Heilberufen. Mit dem Investitions-Check der Deutschen Bank kann das Praxisvorhaben auf
solider Grundlage geplant werden. Wichtige Bausteine sind die Amortisationsberechnungen für medizinische Geräte und die Wirtschaftlichkeitsanalyse für verschiedene Gerätetypen. Je nach Fachrichtung des Privatarztes – ein Radiologe hat höhere Anschaffungskosten für neue Technologien als ein HNO-Kollege – ist Leasen eine Alternative zum Kauf. ApoBank-Berater Paland empfiehlt: „Im Vorfeld muss genau kalkuliert werden, wie rentabel die Anschaffung
des Gerätes ist und welcher Gewinn durch den Einsatz erzielt werden kann.“

Welche Kreditvolumina sind realistisch?

Beim Kreditvolumen bietet die Deutsche Bank viel Luft nach oben. „Trägt die Idee den Kredit, gibt es für uns grundsätzlich keinen Kreditrahmen“, erklärt Thilo Schäpers, fachlicher Leiter für 200 Heilberufe-Experten im Bundesgebiet. „Durch die Einbindung von öffentlichen Fördermitteln kann die Zinsbelastung für die Finanzierung deutlich reduziert werden. Tilgungszuschüsse können die Finanzierung zusätzlich erleichtern“, ergänzt er. Grundsätzlich gilt auch für Privatärzte mit eigenem Praxistraum: Es empfiehlt sich, auch auf öffentliche Förderprogramme wie beispielsweise von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Frankfurt am Main zurückzugreifen.

Gibt es je nach Fachrichtung einen maximalen Kreditrahmen für einen Privatarzt? Hier dient die Grundausstattung einer jeden Facharztpraxis durch die Körperschaften für GKV-Praxen als Orientierungsgrundlage. Die Bankenberater greifen zudem auf die Ergebnisse der hauseigenen Analysen zur ärztlichen Existenzgründung zurück. Die apoBank zieht für ihr Benchmarking die Daten aus ihrem Tool INKO – der Investitions- und Kostenberatung – heran. Damit werden die anfallenden Investitionen beziffert und die erforderlichen Gesamteinnahmen berechnet.

Die Haspa hat beispielsweise für die Neugründung einer privaten HNO-Praxis eine maximale Investitionssumme von 200.000 Euro für Geräte und Einrichtung ermittelt. Gleichwohl gibt es deutliche Schwankungen beim Kreditvolumen, weil sich Vermieter zunehmend die Räume durch den Mieter umbauen lassen. Stilvoll, modern und ansprechend zum Nulltarif. Das macht jede Praxisgründung wesentlich teurer. „Für uns ist diese Investition in das Eigentum anderer bei der Kreditvergabe ein durchaus kritischer Punkt, wenngleich dadurch der Aufwand für die Mietzahlungen in der Regel deutlich reduziert wird“, gibt Thorsten
Werner von der Haspa zu bedenken.

Lohnt es sich, mehr Eigenkapital einzusetzen?

Weniger Sicherheit durch einen deutlich geringeren Patientenkreis im Vergleich zum Kassenarzt und deswegen auch gleich ein höherer Einsatz von Eigenkapital? Aus Sicht der Fachberater ist dies nicht zwingend notwendig. Wer gut vernetzt sei, über ein Alleinstellungsmerkmal verfügte, vielleicht
bereits mit einer Zulassung gearbeitet habe und nun die Umwandlung in eine Privatarztpraxis plante, befinde sich in einer optimalen Startposition. „Eigenmittel müssen nicht zwingend in eine Praxisfinanzierung einfließen. Einerseits, weil die Zinsen gewerblicher Finanzierungen oft steuerlich absetzbar sind und andererseits, weil Eigenmittel häufig für die Verwirklichung privater Immobilienwünsche benötigt werden“, betont Deutsche Bank Heilberufe-Experte
Thilo Schäpers.

Fazit: Als Gründer einer Privatpraxis ist es besonders wichtig, mit der unternehmerischen Brille auf das Vorhaben zu blicken. Praxismarketing, Personalführung und betriebswirtschaftliche Anliegen müssen ebenso beherrscht werden wie die medizinische Kunst. Wissen ist ein Wettbewerbsvorteil,
der sich gerade bei Kreditverhandlungen im doppelten Sinne bezahlt macht.

Text: Nicola Sieverling