Wie wichtig ist die medizinische Versorgung auf dem Land als wirtschaftlicher Standortfaktor? Darum ging es bei einer Online-Diskussion des PKV-Verbands und der privatärztlichen Verrechnungsstellen. Doch schnell zeigte sich: Wichtig ist vor allem der Erhalt unseres dualen Gesundheitssystems.
Jochen Haußmann, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, sieht einen klaren Zusammenhang: Die gesundheitliche Versorgung sei wichtig, um Führungskräfte zu gewinnen. Die Corona-Pandemie zeige zudem, wie wichtig die medizinische Betreuung gerade in einem Flächenland wie Baden-Württemberg sei. Gleichzeitig wies er auf das Problem des Ärztemangels auf dem Land hin. Allein in den letzten fünf Jahren konnten über 500 Arztsitze nicht nachbesetzt werden. Dieser Entwicklung müsse man entgegenwirken.
Diese Ansicht vertrat auch Andreas Ruland. Für den Regionalgeschäftsführer Süd-West der Sana Kliniken ist es das wichtigste Ziel, die Versorgung zukunftsfähig zu gestalten: „Denn nur mit zukunftsfähige Strukturen gelingt es, Mitarbeiter zu gewinnen und Patienten zu überzeugen, sich im Landkreis versorgen zu lassen.“ Wichtige Schritte auf dem Weg dahin sieht er in einer verstärkten Spezialisierung im Krankenhausbereich und einer besseren Kooperation zwischen stationärem und ambulantem Sektor.
Als weitere Instrumente nannte Jochen Haußmann Bürokratieabbau, Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder bessere Möglichkeiten zur Digitalisierung. Wichtig sei aber insbesondere, die Attraktivität des Arztberufes durch die Beibehaltung des dualen Systems aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung zu erhalten.
12 Milliarden extra durch Privatpatienten
Wie sehr dieses duale System dazu beiträgt, die Versorgung aller Patientinnen und Patienten in Deutschland zu stärken, betonte Florian Reuther. Anhand des soeben erschienen Regionalatlasses Baden-Württemberg erläuterte der PKV-Verbandsdirektor, dass allein durch die Existenz der Privatversicherten jährlich rund 12 Milliarden Euro zusätzlich ins Gesundheitssystem flössen. Der PKV-Verband habe nun berechnet, wie sich dies auf die einzelnen Regionen in Baden-Württemberg auswirkten. Ergebnis: „Von den Mehrumsätzen der Privatversicherten profitieren überwiegend niedergelassene Ärzte in ländlichen Gegenden. Oftmals sind diese Praxen ohne die Mehrumsätze gar nicht zu halten.“ Der politische Vorwurf, die PKV würde dazu beitragen, die medizinische Versorgung auf dem Land zu verschlechtern sei daher falsch. Reuther: „Wie so oft gilt: Wenn man etwas tiefer schürft, kann man Vieles widerlegen.“
Ärztepräsident Klaus Reinhardt sah dies genauso. „Erst durch den Wettbewerb zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung ist es möglich, in den Arztpraxen eine Infrastruktur aufrecht zu erhalten, die allen Patienten zu Gute kommt“. Für dieses wichtige Wahljahr gab er daher das Ziel aus: „Wenn es uns gelingt, im Rahmen des Wahlkampfes, die Abschaffung des dualen Systems von der politischen Agenda zu nehmen, hätten wir eine Menge erreicht.“
Große Einigkeit gegen Bürgerversicherung
Damit stieß Reinhardt offenbar auch bei einem Großteil der rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf Zustimmung. So meldete sich etwa der Vorsitzende des dbb Landesbundes Baden-Württemberg, Kai Rosenberger, zu Wort und sprach sich vehement gegen eine Bürgerversicherung und gegen die Einführung einer pauschalen Beihilfe aus. Mit dieser pauschalen Beihilfe bieten einige Bundesländer ihren Beamten eine Art Arbeitgeberzuschuss, wenn sie sich freiwillig gesetzlich versichern. Rosenberger betonte: „Ein weit überwiegender Teil der Beamtinnen und Beamten in Baden-Württemberg möchte privat versichert sein.“ Auch für Florian Reuther ist die pauschale Beihilfe lediglich „ein erster Schritt in Richtung Bürgerversicherung, mit dem man die Beamtinnen und Beamten der PKV abspenstig machen will.“ Mit einer solchen Einheitslösung würde man jedoch entweder dem gesamten Gesundheitssystem Geld entziehen oder die gesetzlich Versicherten und damit auch die Arbeitgeber deutlich stärker belasten.
Stand der Verhandlungen für eine neue Gebührenordnung
Auf großes Interesse stieß einmal mehr der Stand der Verhandlungen für eine neue Gebührenordnung für Ärzte zwischen PKV-Verband und Bundesärztekammer. Hierzu betonten Klaus Reinhardt und Florian Reuther, dass eine Einigung über die Preise der einzelnen Positionen bis zum Sommer angestrebt sei. Wenn die Politik den Willen erkennen lasse, dies umzusetzen, sei man in wenigen Wochen lieferfähig.
Lesen Sie den Pressebericht auch auf: https://www.pkv.de/verband/presse/meldungen-2021/online-diskussion-wirtschaftsstandort-baden-wuerttemberg/