»Quo vadis privatärztliche Tätigkeit?« So lautete der Titel der Informationsveranstaltung mit anschließender Podiumsdiskussion, den die PVS Baden-Württemberg und der PVS Verband in den Räumlichkeiten der PVS Akademie in Stuttgart veranstaltete.

Die Abschaffung unseres dualen Versorgungssystems und somit auch die Anpassung der beiden Vergütungssysteme
wird derzeit wieder heiß diskutiert. Wie in jedem Wahljahr haben sich einige Parteien das Thema »Bürgerversicherung
« auf die Fahnen geschrieben. In ihren Programmen haben sie dem »ungerechten« deutschen Gesundheitssystem den Kampf angesagt.

Doch wie in den letzten Jahren findet auch dieses Jahr wieder eine sehr einseitige Berichtserstattung statt. Soziale,
qualitative und auch wirtschaftliche Folgen einer solchen Zusammenlegung der Systeme werden nicht kommuniziert.
Auch die generelle Zukunft der privatärztlichen Tätigkeit, die in vielen Praxen existenziell ist, wird nicht
thematisiert. Die Patienten, wie auch die Ärzte werden im Dunkeln gelassen.

Aus diesem Grund hatten sich am 26.06.2017 über 40 Gäste in der PVS Akademie eingefunden, um Informationen
über solche Konsequenzen zu bekommen und diese mit Spezialisten zu diskutieren.

Als Redner waren Dr. Markus Stolaczyk, Leiter des Dezernats Gebührenordnung und Gesundheitsfinanzierung, Dr.
Volker Leienbach Verbandsdirektor des PKV Verbandes, sowie Stefan Tilgner, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied
des PVS Verbandes geladen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Hauke Gerloff von der Ärztezeitung.

Nach der Begrüßung durch Dr. Tim Arenz, Vorstandsmitglied der PVS Baden-Württemberg, führte Hauke Gerloff
die Teilnehmer in die Thematik ein. So generieren laut Studien die Leistungserbringer im deutschen Gesundheitswesen
30 % ihrer Honorareinnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit. Dies entspricht einem Mehrumsatz von 6,1 Mrd. €. Bei einer Zusammenlegung von privat- und kassenärztlichen Tätigkeiten müssten diese Beträge aufgefangen werden. Für viele Praxen mit hohem Privatanteil wäre die Existenz bedroht.

Dr. Stolaczyk informierte in seinem Beitrag über den aktuellen Stand der Novellierung der GOÄ. Demnach wurden
bisher über 5300 Ziffern und 600 Zuschläge erarbeitet und implementiert. So können die heute teils sehr undurchsichtigen Analogberechnungen durch ein transparentes Vergütungssystem ersetzt werden. Dies geschieht seit 12 Monaten in Zusammenarbeit mit Berufsverbänden und Fachgesellschaften, was eine realistische Einordnung und Bewertung der Leistungen ermöglicht. »Auch wenn die Novellierung der GOÄ abgeschlossen ist, werden diese Gespräche weitergeführt, um ein »selbstlernendes System « zu schaffen.« so Dr. Stolaczyk.

Dr. Leienbach stellte in seinem Beitrag heraus, wie man die momentane Berichtserstattung im Wahlkampf interpretieren sollte. So werden nur einzelne Elemente aus dem Komplex der Abschaffung des dualen Systems herausgepickt und »vermarktet«. Dies birgt die Gefahr, dass Meinungsführer Schritte befürworten, deren Konsequenzen vielen nicht klar sind.

Eine Bürgerversicherung schafft einen neuen großenMarkt der Zusatzleistungen und verstärkt eine Zwei-Klassenmedizin. Somit ist die Argumentation des ungerechten dualen Systems haltlos. Die Zusammenlegung des EBM mit der GOÄ ist nicht möglich, da es sich einerseits um ein leistungsbezogenes Vergütungssystem (GOÄ) und andererseits um einen Verteilungsschlüssel pauschaler Honorare handelt. Die Systeme sind nicht vereinbar, so dass man sich für ein Einheitssystem entscheiden müsste. Dies wäre mit großer Wahrscheinlichkeit der »größere« EBM. Der Leistungsbezug der Vergütung ärztlicher Leistungen würde durch das Pauschalsystem abgelöst. Das ausbleibende Honorar aus privatärztlicher Tätigkeit würde der Forschung und Qualitätssicherung der gesundheitlichen Versorgung fehlen.

Auch Stefan Tilgner kritisierte das Vorgehen einiger Parteien im Wahlkampf scharf. Die betriebene »Salamitaktik«
bezüglich einer Reform des Gesundheitssystems enthält den Bürgern elementare Konsequenzen über Refinanzierung,
Qualitätssicherung und Entwicklung im deutschen Gesundheitssystem, welches nach wie vor eines der am
besten funktionierenden Systeme weltweit ist, vor. Im Einheitssystem werde die Formel »Geld = Qualität« extrem
gestärkt.

Beim Get together machten die Nachfragen der Teilnehmer deutlich, welche Unsicherheiten existieren. »Welche
Vor- und Nachteile birgt eine neue GOÄ für meine Fachgruppe? « oder »Ist meine privatärztliche Tätigkeit und
somit meine Freiberuflichkeit gefährdet?« waren die häufigsten Fragen.

Die Inhalte der neuen GOÄ sind erarbeitet. Nun kommt die Bewertung der selbigen. Der weitere Verlauf der Ein- führung der neuen GOÄ hängt entscheidend vom Ergebnis der Bundestagswahl im September ab.